Verschiebung der Lohnnebenkosten auf die Mehrwertsteuer

In meinen letzten Blogbeiträgen „Mehr Mehrwertsteuer für eine gerechtere Welt“ und „Die Mär von der unsozialen MWST“ habe ich aufzuzeigen versucht, wie die Mehrwertsteuer (MWST) funktioniert und welche Vorteile sie mit sich bringt. In diesem Beitrag will ich die angesprochene Verschiebung der Lohnnebenkosten (für AHV, IV, EO und ALV) auf die MWST weiter vertiefen.

In der Schweiz wäre es relativ einfach möglich, die Lohnnebenkosten auf die MWST zu übertragen, weil beide bereits Bundeskompetenz sind. Für die Kantone ändert sich nichts. Ihre Steuerhoheit bleibt unangetastet, was die Umsetzung erleichtert.

Die Zahlen
Eine kurze Recherche ergibt für das Jahr 2007 folgende Zahlen (in Mio. CHF):

Einnahmen aus Lohnnebenkosten aus Staatsbeiträgen Total1
AHV 24’908.2 9’230.32 34’211.3
ALV 4’431.4 397.5 4’870.7
IV 4’205.1 5’445.33 11’748.6
Total 33’544.7 15’073.2 50’830.6

1 inkl. in dieser Übersicht nicht aufgeführter weiterer Erträge wie z.B. Kapitalerträge.
2 beinhaltet auch das AHV MWST-Prozent.
3 beinhaltet einen ausserordentlichen Ertrag (1.471 Mrd. Fr.), der sich aus der «Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen – NFA» ergibt.
Quellen: Bundesamt für Statistik (BFS), siehe AHV-Einnahmen, ALV-Einnahmen, IV-Einnahmen.

Aus der MWST generierte der Bund 2007 Einnahmen in der Höhe von 19’684 Mio. CHF, dies bei einem Normalsatz von damals 7.6% (heute 8%), siehe ESTV. Wenn wir nun die knapp 35 Mrd. CHF aus den Lohnnebenkosten auf die MWST überwälzen, müsste über die MWST 55 Mrd. CHF, also knapp das Dreifache des heutigen Betrags (20 Mrd. CHF) eingenommen werden. Wenn man Verschiebungs- und andere Effekte nicht berücksichtigt, käme der MWST-Normalsatz auf ca. 21% zu liegen. Zum Vergleich: Der MWST-Normalsatz in Deutschland beträgt heute 19%.

Auswirkungen auf die Preise
Wie würde sich das nun auf die Preise auswirken? Theoretisch betrachtet würden sich die Preise über die Gesamtheit aller Produkte und Dienstleistungen nicht verändern. Die auf die MWST übertragenen Lohnnebenkosten sind ja bereits heute, versteckt in den Produktepreisen, enthalten. Der versteckte Anteil würde einfach nur in die MWST verschoben und damit sichtbar. Natürlich käme es aber innerhalb der verschiedenen Produkte- und Dienstleistungskategorien zu Preisverschiebungen. Produkte in denen viel (Schweizer-) Arbeitszeit steckt, würden tendenziell billiger, weil die Lohnnebenkosten wegfallen. Produkte in denen wenig Arbeitszeit steckt, würden teurer, weil die wegfallenden Lohnnebenkosten einen kleineren Anteil am Preis ausmachen. Arbeit würde also billiger und damit aufgewertet. Dies bedeutet auch, dass energieintensive Produkte wie z.B. Strom teurer würden.

Weitere positive Effekte
Wenn es keine Lohnnebenkosten mehr gibt, fällt auch deren komplizierte Abrechnung weg. Die heutige pro forma Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil würde hinfällig. Für den Arbeitnehmer zählt am Schluss nur der Nettolohn (und der bliebe gleich) und für den Arbeitgeber zählen die gesamten Lohnkosten und die würden eben tiefer. Auf der Verwaltungsseite sind weitere Vereinfachungen möglich, weil das Inkasso und die Kontrolle wegfallen.

Die Finanzierung von AHV & Co über die MWST würde zudem ein Dilemma auflösen. Heute trägt der bezahlt-arbeitende Teil der Bevölkerung den grössten Teil der Kosten. Wenn nun die Arbeitslosenquote oder der Anteil der Pensionierten steigt, heisst dies auch, dass weniger Arbeitende für immer mehr Bezüger aufkommen müssen. Eine Finanzierung über die MWST verteilt die Lasten gerechter. Damit würden auch Einkommen, die nicht aus bezahlter Erwerbsarbeit stammen (z.B. Kapitalgewinne oder Erbschaften) zur Sicherung der Sozialwerke beitragen (weil auch mit diesen Einkommen wiederum Produkte und Dienstleistungen gekauft werden, die der MWST unterliegen).

Fazit
Die Verschiebung der Lohnnebenkosten auf die Mehrwertsteuer wäre, der politische Wille vorausgesetzt, in der Schweiz relativ einfach umsetzbar. Wie im ersten Beitrag gezeigt, würden dadurch auch Wettbewerbsverzerrungen, verursacht durch unterschiedlich stark ausgebaute Sozialwerke, reduziert. Dies weil deren Kosten bei einer Finanzierung über die MWST nicht mit den Produkten mitexportiert, resp. beim Import auf die Produkte aufgerechnet werden. Weiter bietet die Mehrwertsteuer, eine gute Handhabe, um die die Steuerflucht unter dem Deckmantel der legalen Steueroptimierung zu reduzieren. Die MWST ist transparent (für den Konsumenten sichtbar), effizient (weil einfach) und sozial (progressive Besteuerung).

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Die Mär von der unsozialen MWST

Immer wieder hört man den Vorwurf, die MWST sei unsozial. Ich wollte es mal etwas genauer wissen und habe dazu ein paar Gedanken und Rechnungen angestellt. Wie die MWST funktioniert, habe ich in diesem Artikel aufgezeigt (und dort bin ich diese Antwort schuldig geblieben).

Heute gilt in der Schweiz für Güter des täglichen Bedarf, namentlich Lebensmittel, ein reduzierter MWST-Satz von 2.5%. Auf weitere „Produkte“ die zum täglichen Bedarf gehören, wie Wohnungsmieten oder Krankenkassenprämien (weitere?), wird gar keine MWST erhoben.
Wer über wenig Einkommen verfügt, konsumiert somit anteilsmässig mehr Güter, die dem reduzierten Satz unterliegen als ein Grossverdiener. Der durchschnittlich bezahlte MWST-Satz liegt für Wenig-Verdienende (ergo Wenig-Konsumierende) dadurch tiefer als für Viel-Konsumierende. Daraus ergibt sich eine progressive Besteuerung, die vom Anteil der Güter des täglichen Bedarfs am Gesamtkonsum abhängt. Die dadurch entstehende Progression verstärkt sich, je grösser der Unterschied zwischen Normalsatz und reduziertem MWST-Satz ist.

Progressive Besteuerung
Folgende zwei Grafiken zeigen, wie die progressive Besteuerung zustande kommt. Als verfügbares Einkommen gilt das Einkommen, dass nach Abzug von Miete, Krankenkassenprämien, Versicherungen und weiteren Kosten, die nicht der MWST unterliegen, noch übrig bleibt.

Annahme 1: Ein verfügbares Einkommen bis 400 CHF wird vollständig für Güter des täglichen Bedarfs (reduzierter MWST-Satz) verwendet.
Annahme 2: Ab 400 CHF kommt ein Anteil an „normalem Konsum“ hinzu. Der Konsum von Gütern mit reduzierter MWST steigt mit zunehmendem Einkommen immer langsamer an (Sättigung).

Begründung: Bei Gütern des täglich Bedarfs stellt sich mit zunehmendem Einkommen eine Sättigung ein (irgendwann hat man genug gegessen). Eine Substitution von günstigeren durch teurere Produkte ist bis zu einem gewissen Grad möglich (z.B. Bio statt M-Budget). Bei den „normalen“ Gütern ist die Bandbreite der Preise grösser (z.B. Smart und Bentley). Wer mehr verdient, kauft also tendenziell teurere Produkte und möglicherweise auch mehr davon, als jemand mit kleinerem Einkommen.
Jemand mit nur 400 CHF verfügbarem Einkommen, kauft also zu 100 Prozent Güter des täglichen Bedarfs. Bei einem verfügbaren Einkommen von 5000 CHF sind es nur noch 24 Prozent, resp. 1200 CHF.

Mit den heute gültigen MWST-Sätzen (2.5% und 8%) ergibt sich folgendes Bild.

MWST Progression bei 2.5% (reduzierter Satz) und 8% (Normalsatz)

Die folgende Grafik zeigt den durchschnittlichen Steuersatz bei einem Normalsatz von 20% und gleich bleibendem reduzierten Satz von 2.5%. Die Progression fällt hier deutlich stärker aus.

MWST Progression bei 2.5% (reduzierter Satz) und 20% (Normalsatz)


Die MWST ist sozial
Der oben aufgezeigte Effekt der progressiven Besteuerung tritt auf, wenn der Konsum von Gütern, die dem reduzierten MWST-Satz unterliegen, mit steigendem Einkommen weniger schnell zunimmt als der Gesamtkonsum (funktioniert in diesem Rahmen auch mit anderen Annahmen). Eine progressive Besteuerung gilt als sozial, weil Wohlhabende nicht nur absolut, sondern auch anteilsmässig mehr Steuern bezahlen, als weniger Wohlhabende. Somit kann auch die MWST, richtig umgesetzt, als sozial gelten.

Eine sozial ausgestaltete MWST muss also folgende Bedingungen erfüllen:

  • Güter des täglichen Bedarfs: Der Warenkorb dieser Güter muss sinnvoll zusammengesetzt sein. Sprich das Lebensnotwendige muss in die Kategorie mit reduziertem MWST Steuersatz fallen. Zudem ist eine Verwässerung dieses Warenkorbs durch hinzufügen nicht-lebensnotwendiger Güter zu vermeiden.
  • Tiefer reduzierter Steuersatz. Je tiefer dieser Satz ist, desto weniger Steuern zahlen die einkommensschwachen Konsumenten.
  • Deutlich höherer Normalsatz: Die Differenz der beiden Steuersätze bestimmt die Stärke der Progression.

Situation in der Schweiz
Meiner Meinung nach erfüllt die Schweizer MWST diese Bedingungen grösstenteils. Mit nur 2.5% ist der reduzierte Satz im europäischen Vergleich tief. Weil aber auch der Normalsatz sehr tief ist, fällt die Progression gering aus. Mit einem höheren Normalsatz liesse sich also die Schweizer MWST durchaus noch etwas sozialer gestalten.
Einen konkreten Vorschlag dazu werde ich in meinem nächsten Beitrag machen.

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Mehr Mehrwertsteuer für eine gerechtere Welt

Aus Konsumentensicht war für mich die Mehrwertsteuer (MWST) immer die Steuer, die Produkte verteuert. Und immer wieder hörte ich auch das Argument, die MWST sei unsozial, weil arm und reich sie gleicherweise bezahlen müssen.
Seit ich vor drei Jahren eine eigene Firma, die avertas GmbH, gegründet habe, die auch MWST-pflichtig ist, hat sich meine Sichtweise stark verändert. Für mich als Unternehmer ist die MWST sehr einfach. Vier Mal pro Jahr muss ich der eidgenössischen Steuerverwaltung ein einseitiges A4 Formular mit ein paar Zahlen ausgefüllt einsenden und den errechneten MWST-Betrag überweisen. Mit einer gut geführten Buchhaltung ist dies in Kürze auf Knopfdruck erledigt. Und jedes Mal, wenn ich die „normale“ Steuererklärung ausfüllen muss, sei es privat oder für die GmbH, wünschte ich mir, es wäre so einfach wie die MWST. Aber wie funktioniert die MWST eigentlich?

Die MWST – eine kleine Einführung
Die MWST ist eine Konsumsteuer auf Produkte und Dienstleistungen. Hierzu als konkretes Beispiel FreeBeer, eines der Produkte der avertas GmbH. Wir kaufen das Bier bei der Brauerei ein. Die Brauerei verrechnet uns neben dem Preis für das Bier zusätzlich 8% MWST. Wenn wir das Bier weiter verkaufen, verrechnen wir auf dem Verkaufspreis ebenfalls 8% MWST. Für die Steuerabrechnung muss ich nun einerseits zusammen zählen, wie viel MWST ich bei Einkauf von Bier an die Brauerei bezahlt habe (diese heisst Vorsteuer). Andererseits muss ich zusammenzählen wie viel MWST ich meinen Kunden verrechnet habe (Umsatzsteuer). Der von der avertas geschuldete Steuerbetrag entspricht nun der Differenz von Umsatzsteuer und Vorsteuer.

Ein einfaches Zahlenbeispiel (in Klammer die MWST)
Einkaufspreis 100.- (+ 8.-)
Verkaufspreis 200.- (+ 16.-)

Die avertas bezahlt der Steuerverwaltung also 16.- – 8.- = 8.-. Die Vorsteuer von 8.- wurde bereits von der Brauerei, resp. deren Lieferanten an die Steuerverwaltung abgeliefert.

Als Unternehmen können wir alle Aufwendungen (z.B. Telefon oder Papier), die MWST-pflichtig sind, als Vorsteuer geltend machen und in Abzug bringen (Eigenbedarf ausgenommen). Man bezahlt jeweils nur Steuern auf den geschaffenen Mehrwert. Daher kommt auch der Name „Mehrwertsteuer“.
Nehmen wir nun an, dass wir mehr Bier eingekauft haben, als wir verkaufen können. Es läuft ab und muss weggeschüttet werden. Da wir keinen Mehrwert geschaffen haben, müssen wir auch keine MWST bezahlen. Auch die bereits an die Brauerei bezahlte MWST können wir, wie üblich als Vorsteuer abziehen. Die MWST wird erst mit dem Konsum wirksam.

Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die MWST ist eine rein nationale Steuer. Das heisst, die Schweizer MWST wird nur fällig, wenn das Produkt oder die Dienstleistung in der Schweiz konsumiert wird. Wenn wir also Bier nach Deutschland exportieren, verrechnen wir keine MWST und können zudem den ganzen, bereits an die Brauerei bezahlten MWST-Betrag als Vorsteuer geltend machen. Am Zoll wird im Gegenzug die deutsche MWST fällig, die der Importeur zu tragen hat. Umgekehrt funktioniert es genauso. Wenn wir Malz aus Deutschland importieren, zahlen wir nur die Schweizer MWST auf den gesamten Betrag. Dies hat einen wichtigen Effekt auf Exporte und regionale Steuergerechtigkeit, auf die wir später noch zurück kommen.

Die MWST ist eine transparente Steuer
In unseren Produkten stecken viel mehr Steuern und Abgaben als nur die MWST. Dazu gehören z.B. die Sozialabgaben für AHV und Arbeitslosenversicherung (ALV), aber auch die allgemeinen Steuern, die die Unternehmen und deren Angestellte bezahlen. Alle diese Steuern und Abgaben sind für die Unternehmen Kosten und müssen in die Preise eingerechnet werden. Man kann es drehen und wenden wie mal will: Am Schluss zahlt immer der Konsument, auch wenn er es nicht direkt merkt! Daniel Häni nennt dies treffenderweise „das Konsumsteuergeheimnis“. Die MWST im Gegenzug wird transparent ausgewiesen. Das macht sie auf den ersten Blick nicht beliebter, aber ehrlicher.

Ein Latte Macchiato und darin enthaltene, versteckte Steuern. Quelle: auf Grafik klicken

Um aufzuzeigen warum die MWST einen Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten kann, muss aber noch etwas weiter ausgeholt werden.

Globaler Wettbewerb und Sozialleistungen
Heute wird in vielen Ländern, so auch in der Schweiz, auf den Arbeitseinkommen Sozialleistungen (Arbeitslosenversicherung, AHV, etc.) verrechnet. Wie bereits weiter oben geschrieben, müssen diese Abgaben und Steuern von den Unternehmen in die Preise der Produkte eingerechnet werden. Wird nun ein in der Schweiz hergestelltes Produkt exportiert, werden dadurch, im Preis versteckt, auch die Kosten für die Sozialleistungen „mitexportiert“. Wenn das Zielland ein ähnlich ausgebautes Sozialsystem hat wie die Schweiz, spielt dies keine grosse Rolle, weil in deren Produkte Sozialleistungen in eine vergleichbaren Grössenordnung enthalten sind. Anders sieht es aus, wenn ein Schweizer Produkt in ein Land exportiert wird, wo deutlich tiefere oder gar keine Sozialabgaben erhoben werden (weil es z.B. keine Arbeitslosenversicherung und AHV gibt). Gleich verhält es sich auch beim Import: Produkte aus Ländern mit weniger gut ausgebautem Sozialsystem sind in der Schweiz günstiger, weil deren Preis weniger versteckte Sozialabgaben enthält. Dies führt zu einer Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Länder mit schlecht ausgebauten Sozialsystemen und dies wiederum erzeugt einen Druck, die Sozialleistungen in der Schweiz zu kürzen. Ein Sachzwang entsteht.

Mit der MWST Sachzwänge auflösen
Die MWST, in ihrer Eigenschaft einer rein territorialen Steuer, bietet hier einen interessanten Ausweg aus dem vermeintlichen Sachzwang, die Sozialleistungen zu reduzieren. Werden Sozialleistungen wie ALV, IV und AHV über die MWST finanziert, reduzieren sich Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedlich ausgebaute Sozialsystem. Die Kosten für die Schweizer Sozialleistungen werden nicht mehr in den Preisen versteckt ins Ausland mitexportiert. Im Gegenzug wird an der Schweizer Grenze auf Importprodukte automatisch die Schweizer Sozialabgaben aufgerechnet. Alle in der Schweiz konsumierten Produkte und Dienstleistungen tragen somit im gleichen Masse zum Sozialsystem bei. Wir importieren und exportieren nur noch die Produkte und keine versteckten Sozialkosten mehr. Damit würde die Entscheidung, was für einen Sozialstaat ein Land haben will, wieder zu einer rein nationalen Angelegenheit. Das Sachzwangargument „internationale Wettbewerbsfähigkeit“ würde entkräftet und die Souveränität der Schweiz (und natürlich anderer Staaten) wieder vergrössert. Die Entlastung der Lohnkosten hätte zusätzlich noch den positiven Effekt, dass Arbeit günstiger wird. Nach gängiger ökonomischer Theorie würde dies die Nachfrage nach Arbeit erhöhen, sprich die Arbeitslosenquote senken.

Weniger Steuerfluchtmöglichkeiten
Zum Verständnis der heute gebräuchlichen Strategien der legalen internationalen Steueroptimierung zuerst ein kleiner Exkurs. Ein spannendes Beispiel aus der Brauereiindustrie wurde vor einiger Zeit in der Berner Zeitung ausführlich beschrieben. Kurz zusammengefasst: Ein internationaler Brauereikonzern, die SAB Miller, hat in Ghana 30% Anteil am Biermarkt. Die Gewinne der Tochterfirma in Ghana werden mit rechnerischen Tricks möglichst Tief gehalten. Ein Teil der Gewinne wird als Lizenzgebühren an ein Konzernunternehmen in die Niederlande verschoben (dort sind die Steuern auf Lizenzeinnahmen sehr tief), ein weiterer Teil fliesst in Form von virtuellen Beratungsmandaten ebenfalls an eine Konzerntochter in den steuergünstigen Kanton Zug. Zudem wird das Unternehmen in Ghana indirekt über eine Konzerngesellschaft auf Mauritius beliefert, wo die Steuern sehr tief sind. Zusätzlich ist die Tochterfirma in Ghana bei der in Mauritius verschuldet. All dies führt dazu, dass in Ghana selber praktisch keine Gewinne mehr anfallen, die versteuert werden müssten.
Mehr Details gibt’s im sehr lesenswerten BZ-Artikel.
Dieses fragwürdige, aber legale Beispiel ist keinesfalls eine Ausnahme, sondern weit verbreitete Praxis. Jeder internationale Konzern, der darauf verzichtet, verschafft sich einen Wettbewerbsnachteil. Den Entwicklungsländern gehen durch diese Praxis Milliarden von Steuereinnahmen verloren. Hinzu kommt übrigens noch eine weitere Ungerechtigkeit: Kleine Unternehmen ohne internationale Struktur können von diesen Tricks nicht profitieren. Dadurch haben sie einen systeminherenten Wettbewerbsnachteil gegenüber internationalen Konzernen.

Als Ausweg bietet sich auch hier die MWST an. Würden Unternehmenssteuern abgeschafft (oder reduziert) und im Gegenzug die MWST erhöht, wären solche Spielchen nicht mehr interessant. Wie wir bereits gesehen haben, fällt die MWST dort an, wo das Endprodukt konsumiert wird. In diesem Fall also im Land, wo das Bier getrunken wird. Natürlich könnte das Unternehmen weiterhin Lizenzgebührenzahlen und Beratungsdienstleistungen aus dem Ausland einkaufen. Aber diese würden auch der lokalen MWST unterliegen, weil diese Leistungen importiert werden. Vorausgesetzt, in der MWST Gesetzgebung sind keine Schlupflöcher eingebaut, würden so die Steuerfluchtmöglichkeiten deutlich reduziert. Die Wertschöpfung würde wieder dort besteuert, wo sie tatsächlich stattfindet. Die nationale Steuerhoheit wäre wieder hergestellt.

Als Konsumsteuer bietet die MWST also zwei wichtige Hebel, die, richtig eingesetzt, für mehr Steuergerechtigkeit sorgen können.

Hab ich was vergessen? Was sind deine Gedanken dazu? Ich freue mich auf eine hoffentlich rege Diskussion in den Kommentaren. Weitere Beiträge zum Thema Mehrwertsteuer werden folgen.

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Systemische Nachhaltigkeit – Diversität, Widerstandsfähigkeit und Effizienz

Vor längerer Zeit bereits bin ich auf ein einfaches und – vermutlich deswegen – überzeugendes Konzept von Nachhaltigkeit gestossen.

Das Konzept ist in der folgenden Grafik dargestellt. Auf der y-Achse ist die Nachhaltigkeit aufgetragen. Auf der x-Achse nimmt von links nach rechts die „Diversität und Vernetztheit“ zu. Hier ist die Diversität innerhalb des betrachteten Systems gemeint. Also zum Beispiel die Anzahl Arten in einem Ökosystem. Die Vernetztheit steht in diesem Fall für die Anzahl (Fress-) Beziehungen zwischen den Arten.
Die Widerstandsfähigkeit eines Systems, auch Resilienz genannt, verhält sich direkt proportional zu dessen Diversität. Je mehr Arten in einem Ökosystem vorkommen, desto weniger wichtig ist eine einzelne Art für das Gesamtsystem. Andere Arten können die gleichen Funktionen übernehmen und machen so das System widerstandsfähiger.

Grafik des Konzepts systemischer Nachhaltigkeit

Systemische Nachhaltigkeit: Diversität, Widerstandsfähigkeit und Effizienz (nach Lietaer et al)

Die Effizienz eines Systems verhält sich umgekehrt proportional zur Diversität. Also je diverser, desto weniger effizient ist ein System. Dies liegt daran, dass mit zunehmender Diversität die „Reibungsverluste“ steigen. Auf den ersten Blick ist dies nicht ganz einfach verständlich, aber das weiter unten folgende Beispiel zeigt, was damit gemeint ist.

Ein hoch effizientes System ist verletzlich, weil die Diversität zu gering ist. Fällt ein Element aus, ist das gesamte System gefährdet, weil dessen Funktion nicht genügend von anderen Elementen übernommen werden kann. Andererseits sind in einem sehr diversen System die Reibungsverluste derart hoch, dass das Gesamtsystem stagniert, resp. als solches gar nicht existieren kann. Die richtige Balance von Effizienz und Widerstandsfähigkeit, resp. Diversität entscheidet also darüber, ob ein System nachhaltig funktioniert und damit langfristig überlebensfähig ist.

Nehmen wir ein hypothetisches Ökosystems mit maximaler Diversität, um das Konzept zu illustrieren. In diesem System gibt es gibt eine unendlich grosse Anzahl Arten und von jeder Art gibt es nur ein Männchen und ein Weibchen. Maximale Diversität also, weil es von keiner Art mehr als zwei Exemplare gibt. Wenn jetzt die meisten Arten Allesfresser sind, ist auch die Vernetztheit gross, weil alle alle fressen können. Keine Art ist von einer anderen abhängig und damit ist das Ökosystem als Ganzes sehr widerstandsfähig. Nun müssen sich aber alle Arten fortpflanzen, damit dieses hypothetische Ökosystem überlebt, sprich nachhaltig ist. Wegen der extrem hohen Diversität ergeben sich daraus zwei Probleme: Das Männchen der Art XYZ muss das einzige Weibchen seiner Art in der Masse der anderen Arten finden, damit sie sich fortpflanzen können. Hinzu kommt, dass unweigerlich einige Exemplare als Futter für eine andere Art enden werden. So wird das Weibchen XYZ möglicherweise zum Mittagessen der Art ABC bevor es zur Fortpflanzung kommt. Der enorm grosse Aufwand für Fortpflanzung, resp. Partnersuche macht somit das System hochgradig ineffizient.
Ein System mit maximaler Diversität kann nicht langfristig existieren und ist damit nicht nachhaltig. In der Natur würde sich die Diversität eines solchen Systems drastisch reduzieren, bis zu dem Punkt, wo die Effizienz in der Partnersuche so gross wird, dass es auch tatsächlich zur Fortpflanzung kommt und einzelne Arten eine überlebensfähige Populationsgrösse aufbauen können.

Drehen wir den Spiess um und schauen am Beispiel einer landwirtschaftlichen Weizen-Monokultur ein System mit maximaler Effizienz an. Ein ganzes Feld bestehend nur aus einer einzigen Art (oder sogar nur aus einer einzigen Genvariation). Ein solches System ist extrem effizient, weil es nur homogen wachsenden Weizen produziert. Es kann mechanisiert bearbeitet werden und die Düngerzufuhr kann auf eine einzige Sorte ausgerichtet werden. Tritt nun aber ein Schädling auf, findet dieser ein Schlaraffenland vor. Im Weizenfeld steht Ähre an Ähre und es gibt keine Barriere, die den Schädling zurückhalten oder bremsen würde. Innert kürzester Zeit ist ein solches Feld befallen. Wäre da nicht der Mensch, der mit chemischen Mitteln (Pestiziden und Insektiziden) korrigierend eingreifen würde. Eine Monokultur ist also sehr effizient, aber auch extrem verletzlich, weil sie nur schlecht oder gar nicht auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren kann.

Das hier vorgestellte Konzept von systemischer Nachhaltigkeit gilt nicht nur für natürliche Ökosysteme, sondern lässt sich ohne weiteres auch auf technische, soziale und gemischte Systeme übertragen. Weitere Beispiele folgen.

Als Grundlage für diesen Beitrag und die Grafik diente mir der Artikel „Is Our Monetary Structure a Systemic Cause for Financial Instability? Evidence and Remedies from Nature“ von Bernard Lietaer, Robert Ulanowicz, Sally Goerner & Nadia McLaren im „Journal of Futures Studies“. Dieser Artikel zeigt anhand vom hier vorgestellten Konzept eindrücklich auf, warum das heutige Finanzsystem nicht nachhaltig ist.
Sehr empfehlenswert ist auch der Vortrag „A Systemic Solution for the Economic Crisis“ von Bernard Lietaer am „Student Summit for Sustainability 2009“. Einfach meine langwierige Einführung überspringen …

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Geld verdienen mit Freiem Wissen

Den folgenden Beitrag habe ich für das Studio!sus Magazin geschrieben, dessen 14. Ausgabe zum Thema „Digitale Nachhaltigkeit“ erschienen ist. Das vollständige Heft kann unter www.studiosus.project21.ch heruntergeladen werden.

„Mit Freiem Wissen – und damit auch mit Freier Software – lässt sich kein Geld verdienen“ lautet eine weit verbreitete Meinung. Doch ist das wirklich so?

Ein einfaches Beispiel: Der Modeladen von nebenan verkauft seine Produkte über einen Webshop, der mit einer Freien Software betrieben wird, die ihn günstiger und wartungsfreier kommt. Der Student, der den Webshop für das Geschäft erstellt hat und damit etwas fürs Studium verdient, profitiert ebenfalls. Hinzu kommt der Internet Service Provider, der Abo-Gebühren verlangt um den Webshop zu hosten, und dessen Server ebenfalls mit Freier Software funktionieren. Dies wäre auch mit proprietärer Software möglich. In vielen Fällen wären aber die auf allen Stufen anfallenden Lizenzkosten so hoch, dass ein kleines Unternehmen es sich nicht mehr leisten könnte, zusätzlich diesen Webshop zu betreiben.

Grundlage für neue Produkte und Dienstleistungen

Das noch grössere Potential liegt aber nicht in der einfachen Nutzung Freier Software. Der wahre Vorteil ist, dass sich ein Unternehmen aus einem riesigen Pool von Wissen – Software – bedienen und auf Grundlage dieses Wissens eigene Produkte und Dienstleistungen entwickeln kann. Dies ist besonders für kleine Unternehmen interessant, die meist über wenig Anfangsbudget für Produkteentwicklung verfügen. In der Open Source-Welt wird dies auch „standing on the shoulder of giants“ genannt. Das Prinzip ist nicht neu. In der Wissenschaft, wo das Zitat ursprünglich herkommt, wird seit jeher auf bestehenden Erkenntnissen aufgebaut um die Forschung voranzutreiben und neue Erkenntnisse zu gewinnen ohne jedes Mal die Grundlagen neu erarbeiten zu müssen.
Ein Beispiel ist das ETH Spin-off Wuala. Auf Basis von Open Source haben sie ein neues Produkt entwickelt und bieten heute verschlüsselten online-Speicherplatz an. Geld verdienen sie mit dem Verkauf von zusätzlichem Speicherplatz. Die eigene Software ist leider erst teilweise Open Source.
Die grossen Firmen aus der IT- und Internetbranche haben Freie Software schon lange entdeckt, und sind heute auf die eine oder andere Art an freier Software beteiligt. Dies tun sie, weil es sich für ihr Business auszahlt und nicht aus gemeinützigen Überlegungen. Die folgenden Beispiele zeigen einen kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl von Geschäftsmodellen, die sich um Freie Software gebildet haben.

Google – der Werbegigant

Das wohl bekannteste Beispiel aus der Welt der grossen Konzerne ist Google. Google hat 21’800 Angestellte und verdient sein Geld grösstenteils mit Internetwerbung, 2009 betrug der Gewinn der Firma 6.5 Milliarden US-Dollar. Auch Google bediente sich von Beginn an im Pool der freien Software, um die Suchmaschine und weitere webbasierte, für den Nutzer meist kostenlose Angebote zu entwickeln. Hätten die Gründer in der Anfangszeit nicht auf Linux & Co zurückgreifen können, hätten sie wegen den hohen Kosten für Lizenzen das erste Geschäftsjahr wohl nicht überlebt. Hinzu kommt, dass nur freie Software es ermöglicht, tiefgreifende Anpassungen vorzunehmen und diese exakt auf die eigenen Bedürfnisse abzustimmen.
Auch Android, ein auf Linux basierendes Open Source-Betriebsystem für Smartphones wird aus geschäftlichen Überlegungen vorangetrieben. Google sichert sich damit den Zugang zum immer grösser werdenden Werbemarkt auf mobilen Geräten: Gemäss eigenen Angaben übersteigen die Werbeeinnahmen, die von mobilen Nutzern generiert werden, die Kosten für die Entwicklung von Android deutlich.

Red Hat – der Dienstleister

Red Hat dürfte den Wenigsten bekannt sein, ist aber mit über 3’000 Angestellten vermutlich der weltweit grösste Anbieter von ausschliesslich freien Softwarelösungen. Alles was Red Hat (mit-)entwickelt, ist gratis und Open Source und steht somit jedem, auch der Konkurrenz, frei zur Verfügung. Ihren Kunden verkauft Red Hat nicht Nutzungslizenzen sondern Dienstleistungen. Dies ist vergleichbar mit dem Beispiel des Studenten. Weil der Aufwand für Planung, Umsetzung und Betrieb von Softwarelösungen einen grösseren Teil der Kosten ausmacht als die eigentliche Software, kann Red Hat an diesen Dienstleitungen verdienen. Dass die eigentliche Software – weil kostenlos – eine grössere Verbreitung findet, ist auch im Sinne von Red Hat. Denn auch Nutzer, die die Software selbstständig einsetzen, sind potentielle Kunden, sobald die Komplexität der benötigten Lösung deren Können übersteigt. Dank des Open Source-Modells fallen für Red Hat tiefere Kosten an, da man sich den Entwicklungsaufwand mit der Konkurrenz teilt. Im Jahre 2009 hat Red Hat mit dieser Strategie 650 Millionen USD umgesetzt und dabei einen Gewinn von fast 80 Mio. USD erwirtschaftet.

Intel – der Hardwarehersteller

Bekannt ist Intel unter anderem als weltweit grösster Hersteller von Computer-Prozessoren, Grafikkarten und weiterer Hardware. Intel gehört aber auch zu den Unternehmen, die einen grossen Entwicklungsbeitrag zu Linux & Co leisten. Die Motivation dahinter besteht primär darin, sicherzustellen, dass ihre Produkte mit Linux-basierten Betriebssystemen funktionieren. Intel verdient also nicht direkt mit freier Software, sondern kann – Linux hat in einigen Bereichen bedeutende Marktanteile – einen grösseren Markt für seine Produkte erschliessen, weil sie gut mit freier Software funktionieren.

Apple…

Apple verwendet gleich mehrere Technologien aus dem Open Source-Biotop und ist damit äusserst erfolgreich. So nutzt zum Beispiel das Mac OS X Teile von FreeBSD, einem freien Betriebssystem. Der Einsatz von freier Software als Grundlage ihrer eigenen Produkte reduziert nicht nur die Kosten, sondern auch die Entwicklungszeit deutlich. Hätte Apple OS X von Grund auf neu entwickeln müssen, hätte dies enorme finanzielle und personelle Ressourcen gebunden. Diese Ressourcen hätten dann nicht in die Entwicklung guter Benutzerschnittstellen fliessen können, dank denen Apple heute so erfolgreich ist. Auch WebKit, ein wichtiger Bestandteil des eigenen Browsers Safari, ist Open Source und wurde von Apple adoptiert, um nicht das Rad neu erfinden zu müssen. Unschön allerdings ist, dass Apples Geschäftspraktiken nicht viel mit der Grundidee von Open Source zu tun haben. So sorgt Apple z.B. bei iTunes und iPod dafür, dass diese nur mit Apple-Software funktionieren und schliesst generell regelmässig Freie Software aus.

Der Linux Kernel – gemeinsam Grösseres schaffen

Der Linux Kernel, das Herzstück des freien Betriebssystems, ist das bekannteste und erfolgreichste Freie Software-Projekt schlechthin. Linux läuft nicht nur auf Millionen von Internetservern, so bei Google und Facebook, sondern ist dank seiner Flexibilität auch das Betriebssystem von WLAN-Routern, modernen Fernsehern und Laptops – bis hin zu Supercomputern.

An Linux lässt sich die Zusammenarbeit verschiedener, auch sich konkurrierender Firmen zeigen. Im Gegensatz zu früher, als Linux noch ein reines Freiwilligenprojekt war, wird heute 75% der Arbeit von bezahlten Entwicklern geleistet. Dazu gehören unter anderem Programmierer, die von Firmen wie Red Hat, Intel, Google, Nokia, IBM und sogar Microsoft angestellt sind. Aber auch kleinere Firmen und freiwillige Entwickler arbeiten weiterhin an Linux mit. Jede Firma und jedes Individuum trägt den Teil bei, der für die eigenen Projekte wichtig ist. Gemeinsam erschaffen sie ein grösseres Ganzes und profitieren auch von den Entwicklungen der Konkurrenz. Linus Torvalds, der Erfinder von Linux, waltet als oberste Instanz über die Entwicklung. Keiner der Beteiligten hätte nur annähernd die Ressourcen, alleine etwas Vergleichbares zu schaffen. Diese scheinbare Harmonie heisst aber nicht, dass es keine Konkurrenz mehr gäbe. Diese findet nach wie vor statt, einfach auf einer anderen Ebene.

Freies Wissen und Nachhaltigkeit

Freies Wissen ist aus der Nachhaltigkeitsperspektive aus mehreren Gründen vorteilhaft. Das Wissen steht allen uneingeschränkt zur Verfügung und jeder kann darauf aufbauend neue Ideen entwickeln. Dies ist insbesondere auch für Entwicklungsländer interessant. Es können an lokale Bedürfnisse angepasste Lösungen entstehen ohne gleichzeitig Lizenzgebühren an weltweit tätige Unternehmen bezahlen oder auf illegale Raubkopien zurückgreifen zu müssen. Weil das Wissen der Allgemeinheit gehört, besteht auch keine Gefahr, sich von einem einzelnen Anbieter abhängig zu machen. Wenn ein Anbieter ausfällt, kann ein anderer in die Lücke springen. Der grösste Vorteil dürfte jedoch sein, dass Ressourcen in die Weiterentwicklung von Bestehendem investiert werden, anstelle das Rad immer wieder neu erfinden zu müssen. Dies führt gesamthaft zu einer rascheren Entwicklung und erhöht damit wiederum den Nutzen für die Allgemeinheit.

Nicht auf Software beschränkt

Auch wenn der Open Source-Gedanke heute in der Software-Welt erfolgreich und weit verbreitet ist, bleibt er nicht darauf beschränkt. OpenStreetMap oder das OScar-Projekt markieren den Übergang in die „reale“ Welt abseits von Software. Bei greifbaren Produkten sind die Beispiele zwar erst spärlich, aber doch vorhanden. So gibt es das Open Prosthetics-Projekt, das Prothesen in einem offenen Prozess entwickelt, Open Chord oder FreeBeer. Die entsprechenden Geschäftsmodelle stecken noch in der Experimentierphase; es zeichnet sich aber ab, dass das offene Entwicklungsmodell langsam, aber stetig in weitere Bereiche vordringt. Dass sich mit freiem Wissen Geld verdienen lässt, ist unbestritten; wie das im einzelnen erreicht wird, hängt nur von der Fantasie und Innovationskraft des Menschen ab.

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Willkommen auf open sustainability, meinem neuen Blog!

Nachhaltigkeit und Open Source (Software) scheinen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben. In diesem Blog will ich das Gegenteil beweisen (alles andere wäre ja langweilig). Ich will die offensichtlichen und versteckten Verbindungen und Gemeinsamkeiten aufzeigen und natürlich beide Themenbereiche auch kritisch beleuchten.

Bei Open Source (Software) geht es mir weniger um die technischen Aspekte, sondern vielmehr um die zugrunde liegenden philosophischen Konzepte und deren gesellschaftlichen Konsequenzen. Die Open Source Bewegung, oft auch Free Software genannt, hat in den vergangenen zwei Jahrzenten wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen ausgelöst, die unsere Gegenwart prägen und noch viel stärker die Zukunft prägen werden. Vorerst seien hier nur das Internet und Wikipedia als bekannte Beispiele erwähnt. Beide wäre ohne Open Source Software, resp. die dahinter stehende Gemeinschaft undenkbar oder gar unmöglich.

Die Worte Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung gehören heute zum Standardrepertoire jeder PR-Abteilung. Doch hinter den verbreiteten Buzzwords steckt viel mehr. Kurz gesagt geht es darum, unser Leben auf der einzigen Welt die wir haben, so zu gestalten, dass alle Menschen ein angenehmes, friedliches und würdiges Leben führen können. Das betrifft die natürlichen Ressourcen (z.B. sauberes Wasser, Luft, Energie, fruchtbare Böden) genauso wie die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte (z.B. Sicherheit, Freiheit, Nahrung und wirtschaftliches Auskommen). Ich bin klar der Meinung, dass unsere Gesellschaft heute theoretisch über das Wissen und die Fähigkeiten verfügt, ein nachhaltiges Leben der Menschen auf diesem Planeten zu ermöglichen. Der Grund warum wir heute noch nicht weiter sind, liegt meiner Meinung nach in den heutigen „Spielregeln“ (primär die der Wirtschaft), die eine wahrlich nachhaltige Entwicklung verhindern. Es sind nicht die Menschen oder Firmen die per se schlecht sind. Sie Verhalten sich nicht nachhaltig, weil die Rahmenbedingungen sie zu diesem Verhalten animieren.

Nun bin ich in den vergangenen Jahren, vor allem während meines Studiums der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich, zur Überzeugung gelangt, dass die Open Source Philosophie einen grundlegenden Lösungsansatz für eine nachhaltigere, bessere Welt liefert: Gemeinsam statt Gegeneinander! Das tönt auf den ersten Blick einfach und logisch. Betrachtet man aber unsere Gesellschaft, insbesondere die Wirtschaft etwas genauer, wird einem schnell bewusst, dass das krasse Gegenteil der Fall ist. Die Open Source Bewegung hat in den vergangenen Jahren aufgezeigt, wie es eben auch funktionieren könnte. Mehr gemeinsam statt gegeneinander. Oder anders gesagt: „Konkurrenz der Ideen und nicht der Marktmacht.“

Was ich damit alles meine, will ich diesen Seiten verfolgen und ausführen. Nicht zuletzt will ich mit diesem Blog auch selber viel lernen und die bisher in meinem Kopf herumschwirrenden Gedanken in verständliche Texte formulieren müssen. Ich lade auch dich herzlich ein zum Gedankenaustausch und zum aktiven Mitdiskutieren. Ich hoffe mit diesem Blog einen kleinen Beitrag zu einer offeneren und nachhaltigeren Welt leisten zu können. Hilf mit!

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