In meinen letzten Blogbeiträgen „Mehr Mehrwertsteuer für eine gerechtere Welt“ und „Die Mär von der unsozialen MWST“ habe ich aufzuzeigen versucht, wie die Mehrwertsteuer (MWST) funktioniert und welche Vorteile sie mit sich bringt. In diesem Beitrag will ich die angesprochene Verschiebung der Lohnnebenkosten (für AHV, IV, EO und ALV) auf die MWST weiter vertiefen.
In der Schweiz wäre es relativ einfach möglich, die Lohnnebenkosten auf die MWST zu übertragen, weil beide bereits Bundeskompetenz sind. Für die Kantone ändert sich nichts. Ihre Steuerhoheit bleibt unangetastet, was die Umsetzung erleichtert.
Die Zahlen
Eine kurze Recherche ergibt für das Jahr 2007 folgende Zahlen (in Mio. CHF):
Einnahmen | aus Lohnnebenkosten | aus Staatsbeiträgen | Total1 |
---|---|---|---|
AHV | 24’908.2 | 9’230.32 | 34’211.3 |
ALV | 4’431.4 | 397.5 | 4’870.7 |
IV | 4’205.1 | 5’445.33 | 11’748.6 |
Total | 33’544.7 | 15’073.2 | 50’830.6 |
1 inkl. in dieser Übersicht nicht aufgeführter weiterer Erträge wie z.B. Kapitalerträge.
2 beinhaltet auch das AHV MWST-Prozent.
3 beinhaltet einen ausserordentlichen Ertrag (1.471 Mrd. Fr.), der sich aus der «Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen – NFA» ergibt.
Quellen: Bundesamt für Statistik (BFS), siehe AHV-Einnahmen, ALV-Einnahmen, IV-Einnahmen.
Aus der MWST generierte der Bund 2007 Einnahmen in der Höhe von 19’684 Mio. CHF, dies bei einem Normalsatz von damals 7.6% (heute 8%), siehe ESTV. Wenn wir nun die knapp 35 Mrd. CHF aus den Lohnnebenkosten auf die MWST überwälzen, müsste über die MWST 55 Mrd. CHF, also knapp das Dreifache des heutigen Betrags (20 Mrd. CHF) eingenommen werden. Wenn man Verschiebungs- und andere Effekte nicht berücksichtigt, käme der MWST-Normalsatz auf ca. 21% zu liegen. Zum Vergleich: Der MWST-Normalsatz in Deutschland beträgt heute 19%.
Auswirkungen auf die Preise
Wie würde sich das nun auf die Preise auswirken? Theoretisch betrachtet würden sich die Preise über die Gesamtheit aller Produkte und Dienstleistungen nicht verändern. Die auf die MWST übertragenen Lohnnebenkosten sind ja bereits heute, versteckt in den Produktepreisen, enthalten. Der versteckte Anteil würde einfach nur in die MWST verschoben und damit sichtbar. Natürlich käme es aber innerhalb der verschiedenen Produkte- und Dienstleistungskategorien zu Preisverschiebungen. Produkte in denen viel (Schweizer-) Arbeitszeit steckt, würden tendenziell billiger, weil die Lohnnebenkosten wegfallen. Produkte in denen wenig Arbeitszeit steckt, würden teurer, weil die wegfallenden Lohnnebenkosten einen kleineren Anteil am Preis ausmachen. Arbeit würde also billiger und damit aufgewertet. Dies bedeutet auch, dass energieintensive Produkte wie z.B. Strom teurer würden.
Weitere positive Effekte
Wenn es keine Lohnnebenkosten mehr gibt, fällt auch deren komplizierte Abrechnung weg. Die heutige pro forma Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil würde hinfällig. Für den Arbeitnehmer zählt am Schluss nur der Nettolohn (und der bliebe gleich) und für den Arbeitgeber zählen die gesamten Lohnkosten und die würden eben tiefer. Auf der Verwaltungsseite sind weitere Vereinfachungen möglich, weil das Inkasso und die Kontrolle wegfallen.
Die Finanzierung von AHV & Co über die MWST würde zudem ein Dilemma auflösen. Heute trägt der bezahlt-arbeitende Teil der Bevölkerung den grössten Teil der Kosten. Wenn nun die Arbeitslosenquote oder der Anteil der Pensionierten steigt, heisst dies auch, dass weniger Arbeitende für immer mehr Bezüger aufkommen müssen. Eine Finanzierung über die MWST verteilt die Lasten gerechter. Damit würden auch Einkommen, die nicht aus bezahlter Erwerbsarbeit stammen (z.B. Kapitalgewinne oder Erbschaften) zur Sicherung der Sozialwerke beitragen (weil auch mit diesen Einkommen wiederum Produkte und Dienstleistungen gekauft werden, die der MWST unterliegen).
Fazit
Die Verschiebung der Lohnnebenkosten auf die Mehrwertsteuer wäre, der politische Wille vorausgesetzt, in der Schweiz relativ einfach umsetzbar. Wie im ersten Beitrag gezeigt, würden dadurch auch Wettbewerbsverzerrungen, verursacht durch unterschiedlich stark ausgebaute Sozialwerke, reduziert. Dies weil deren Kosten bei einer Finanzierung über die MWST nicht mit den Produkten mitexportiert, resp. beim Import auf die Produkte aufgerechnet werden. Weiter bietet die Mehrwertsteuer, eine gute Handhabe, um die die Steuerflucht unter dem Deckmantel der legalen Steueroptimierung zu reduzieren. Die MWST ist transparent (für den Konsumenten sichtbar), effizient (weil einfach) und sozial (progressive Besteuerung).